Der Österreichische Kulturverein Binoggl / Lofer präsentiert in Zusammenarbeit mit dem LABOR

Ein Ort steht Modell – Kosmorama Austria


Michael Nowottny arbeitete vor Ort. Von 2009 bis 2013, zu verschiedenen Jahreszeiten, bereiste er mit der Staffelei das Saalachtal und malte dort Landschaft und Sehenswürdigkeiten.

2013 beschließt Michael Nowottny die „Kosmoramen“ durch ein großes Panorama von MariaKirchental zu ergänzen. Doch diesmal nicht alleine vor der Staffelei; er wollte die Bewohner von St. Martin und Lofer persönlich erreichen und bat sie für das große Bild Modell zu stehen. Als Ort für diese Begegnung wählte er das Theater Lofer.

2015 reiste Nowottny noch einmal nach Lofer und St. Martin, um dort erneut Studien zum Panorama

Projekt zu machen. Dieser Aufenthalt und nachfolgende Ereignisse lieferten die Entwürfe für das große Bild von Maria Kirchental, das am Freitag, den 21.07.2017 im Theater Lofer präsentiert wird.

Alle 63 Personen, die im Theater Lofer Modell standen, werden sich darauf wiederfinden.


Bereits 2013 wurde im LABOR die Ergebnisse von der Performance Ein Ort steht Modell präsentiert:







                                                                 Ein Ort steht Modell https://vimeo.com/221235269



Auf den Kunstmessen in Magdeburg Kunst/Mitte 2016 und der Kölner COFA Contemporary 2016 waren die Arbeiten von Michael Nowottny zum Kosmorama Austria Projekt ein wichtiger Bestandteil des LABOR Messestandes:







                                                                  Kosmorama Austria https://vimeo.com/135760322




Michael Nowottny

Ein Ort steht Modell – Kosmorama Austria


Ausstellung: 21.07. – 27.07.2017


THEATER LOFER

5090 Lofer 121

Austria

www.kulturverein-binoggl.info



Zur Ausstellung erscheint ein Katalog:

15 x 21 cm / 44 Seiten durchgehend in Farbe,

mit Texten von Christine Schweinöster,

Judith Behmer und Bernd Imgrund        10,00 Euro


PDF: https://www.magentacloud.de/lnk/bSmDrw9r


Auch erhältlich mit Edition:

30 x 21 cm / Pastell auf grauen Papier,

Motivedition, Auflage 25                        120,00 Euro


Der vom LABOR herausgegebenen Katalog und die Edition "Europa" zur Ausstellung,

von Michael Nowottny, ist ab September auch in der Buchhandlung König in Köln erhältlich.


Kontakt:

mnowottny@t-online.de

+49 (0)171.953 6143

Ein Landstrich wird zum Kunstprojekt


Ein entspannter Sonntag im Sommer 2016: In Lofer, einem lieblichen Gebirgsort im österreichischen Salzburger Land, lädt Michael Nowottny zu einem Fototermin. Ungewöhnlich ist nicht nur, dass er alle Bewohner zum Porträt bittet. Ungewöhnlichist auch der Platz: Das alte Bauerntheater, das er als Fotostudio des 19. Jahrhunderts inszeniert. Und dann strömen sie schon herbei: die Frauen im Dirndlkleid, die Männer in Lederhosen oder in der Tracht der Bauernschützen, der Dorfmetzger mit Arbeitsschürze, die Rettungsmänner in Berufsbekleidung, die Musikerin mit der Zither in der Hand, die zugezogene Asiatin im Seidenlook ... „Ein Ort steht Modell“ ist der Titel der Performance, bei der die Besucher einzeln, zu zweit, in Grüppchen posieren. Sie essen, trinken, scherzen, betrachten das Bild, dassie erhalten. Organisiert hatte dieses historische Foto-Shooting der umtriebige, örtliche Kulturverein Binoggl.


Ein Schwenk in die Zeit der ersten Fotografie – in die Habsburgermonarchie des ausklingenden 19. Jahrhunderts: In der „Photografisch Artistischen Anstalt“ von Josef Schmidt sitzen die Loferinnen und Loferer ganz still und andächtig vor einerkastenförmigen Kamera. Das Erstaunen über dieses Wunder der Technik lässt sichan ihren Gesichtern ablesen. Es ist die erste Berührung mit dem neuen Medium –

und einfach unglaublich. So kostbar! Der Sohn in Soldatenuniform, das Brautpaar, die vollzählige Familie – Schmidts Bilder in Kartonstärke werden zu wertvollen Erinnerungstücken. In Zeiten der Wirrnisse, der Unsicherheit, des oft frühen Todes geliebter Angehöriger. Das ruhige Szenario einer auslaufenden Agrargesellschaft, es lässt sich beim Betrachten der Bilder erahnen. Ebenso der Rang der dargestellten

Person: Seine Besitzverhältnisse, seine gesellschaftliche Position spiegeln sich in der Kleidung, der Körperhaltung, dem Mienenspiel wider. Die freudige Spannung, die der Bildermacher damals erzeugte, hat Michael Nowottny mit seiner Aktion in die Gegenwart transferiert. Und es tut gut, dem Akt des Foto- grafierens in Zeiten inflationärer, digitaler Bilderflut diesen Wert zu verleihen.


Im Landstrich des Salzburger Saalachtales schlägt der Künstler Wurzeln. Maria Kirchental, dieser Kraftplatz in der Loferer Nachbargemeinde St. Martin, wird für ihn zu einer Art „Sehnsuchtsort“. Mit ihm beginnt das Abenteuer in eine andere – eine spirituelle, transzendente – Welt. Rein zufällig war der Kölner vor drei Jahren in das Dreiländereck Salzburg, Tirol und Bayern gekommen, als er einer ortsansässigen Familie ein Auftragswerk vorbeibrachte. Wie es seinem suchenden Naturell entspricht, beginnt

er sogleich die Gegend atmosphärisch abzutasten. Michael Nowottny will die Dinge erspüren, die er malt, in Szene setzen, weiterentwickeln. Er wandert also entlang des idyllischen Floderbaches hinauf nach Maria Kirchental, wo sich zu seiner Überraschung jäh eine Hochebene auftut. Er zieht vorbei am einstigen

„Büchsenh.usl“ der „Betnkramerin“, vorbei an der Einsiedelei für kontemplative Selbstversorger, hinein in die imposante Kirche des Barockarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach. Gebannt betrachtet er dort die vielen Votivtafeln, die von „wundersamen Genesungen“ berichten. Diese berührenden Zeugnisse naiver Volkskunst – die größte und kunstgeschichtlich bedeutendste Votivtafelsammlung Österreichs – die hätten ihn wirklich "geflasht“, sagt er und schwärmt über die ungeheure Ausdruckskraft der einfachen Tempera-Bilder und über die Bildgeschichten, einst gerichtet an noch lese- und schreibunkundige Betrachter. Dieser Mann kann nicht anders. Er muss seine Staffelei an dem Wallfahrtsort

aufstellen. Man sieht ihn oft malen, während Besucher beten, meditierend in der Sonne sitzen oder hinter dem sogenannten „Pinzgauer Dom“ verinnerlicht durch die sanfte Hügellandschaft wandeln.


Michael Nowottny saugt auf, was im Saalachtal – rund 40 km von der Stadt Salzburg entfernt - zu sehen, zu verstehen, zu fühlen ist: die vielfältige Landschaft mit Almen, Schluchten, Bergen, den Kontakt mit den freundlichen Einheimischen. Er malt in der Landschaft und hält Erzähltes, Erlebtes in seinem Tagebuch skizzenhaft fest. Auch viel Geschichtliches, denn der historische Ort Lofer zeugt von einer uralten Bürger- und Handwerkstradition. Über das Gebiet verlief einst eine wichtige Handels- und Verkehrsroute. Schon Genius Wolfgang Amadeus Mozart hat hier übernachtet. Im 19. Jahrhundert waren die ersten Gäste zur Sommerfrische gekommen. Im 20. Jahrhundert hielt in dem Landstrich der Heimatfilm Einzug. Einheimische in der Tracht dienten oftmals als „Aufputz“ vor den prägnanten Loferer Steinbergen. 1968 kamen Clint Eastwood und Richard Burton zum Dreh von „Agenten sterben einsam“ in die Marktgemeinde. Unter dem verheißungsvollen Titel „Fremdenverkehr“ hatte in der Nachkriegszeit der Tourismus der Privatzimmervermieter begonnen. Gäste aus dem „Wirtschaftswunderland“ Deutschland reisten im VW-Käfer an. Zimmer wurden ausgebaut, Omas spülten mit Kopftuch das Geschirr. Die Generationen waren im Umbruch. Im Spannungsfeld von Modernität und Brauchtum befanden sich die jungen Frauen. Neuer Bubikopf versus Gretlfrisur – das war bei Gott ein Angriff auf die gute, alte Gepflogenheit.


Und heute? Heute ist auch hier ein Stadt-Land-Gefälle kaum noch vorhanden. Auch die „Ländler“ sind vernetzt, besitzen Handys, PCs, einen Beruf. Aber die „Landflucht“ ist ein großes Thema bei der ge-bildeten Jugend. Den Hobby-Ethnologen vor Ort, Michael Nowottny, interessiert das alles ganz ungemein: Jeden Tag notiert und recherchiert er, lässt Aktuelles wie Vergangenes in sein Projekt „Kosmorama Austria“ einfließen. Dabei spielt er ganz unbekümmert mit Zeit- und Raumverfremdungen, baut Zeitungs- artikel in Collagen ein. Ein tags zuvor in einen Bach gestürztes Auto, über das er liest, transferiert er in den gemalten Loferbach. Das „Sexy Shooting“ für den „Salzburger Bauernkalender“, das er zufälligerweise

beobachtet, auch das kommt in ein Bild. Ein Wilderer-Drama wird zum Sujet für ein Gemälde, ebenso der Salzburger Dichter Georg Trakl, den der Kölner im Wald flanieren lässt. Seine kleinen Irritationen und Bildstörungen finden Einheimische humorvoll bis absurd-komisch. Sie schätzen diesen leidenschaftlichen Künstler, der sich seine Bildideen nicht nur bei Zweibeinern holt. So werden die Kühe auf der Bräugföll-Alm unfreiwillig zur Kunstaktion. Als sie beginnen, dem Maler und seiner Kunst auf den Leib zu rücken, wird der Moment direkt fotografisch festgehalten. Das Projekt mag beendet sein, die emotionale Bindung ist geblieben. „Grüß mir die Landschaft und Kollegen“, sagt der der nordrhein-westfälische Künstler aus der Ferne bei einem Telefongespräch. Und man merkt: Er hat im Saalachtal eine Heimat gefunden.


Dr. Christine Schweinöster 2017

(freie Journalistin in Stadt und Land Salzburg, Studium der Kommunikationswissenschaften)